Vor dem Fasten kommt das Feiern
Von den Ursprüngen des Karnevals




Das, was manch einer wohl als liebste Jahreszeit bezeichnen würde, wird von unterschiedlichen Kulturen auch sehr unterschiedlich gefeiert. In diesem Jahr wurden die typischen Veranstaltungen wegen der Corona-Epidemie natürlich abgesagt, doch ein Blick in die Historie des Festes lohnt sich trotzdem.
Dass das Fest mit der Zeit des Fastens – die vierzig Tage vor Ostern - zusammenhängt, lässt sich an mehreren seiner zahlreichen Namen ablesen: Das mittelhochdeutsche „Vastnaht“, das im Laufe der Jahrhunderte zu „Fastnacht“ wurde, bezeichnet den Vorabend der Fastenzeit. Auch der Begriff „Karneval“ deutet darauf hin: Er stammt vom lateinischen „carne levare“, was wörtlich „Fleisch wegnehmen“ heißt. Die Karnevals-Feierlichkeiten haben in Deutschland, je nach Region, noch viele andere Namen, neben Fasching etwa Fasnet und Fastelovend.
Kein Fleisch, mehr oder weniger
Das griechische Karnevalsfest heißt „Apokries“, was ebenfalls „Fleisch weglassen“ bedeutet. Um vor dem Beginn der fleischlosen Zeit noch einmal richtig reinzuhauen, wurde dort der sogenannte Tsiknopempti („Rauchdonnerstag“) eingeführt. Überall in den Straßen und vor den Häusern werden Grills aufgebaut und allerhand Fleisch zubereitet. In Verbindung mit einer ordentlichen Menge an Alkohol haben so sicher nicht nur Fleischliebhaber ihren Spaß. Der Rosenmontag wird dann allerdings, wie die gesamte Fastenzeit, dem vegetarischen Genuss verschrieben – Meeresfrüchte gelten in diesem Zusammenhang übrigens als vegetarische Kost, da sie „blutlos“ sind. Außerdem werden in Griechenland traditionell Drachen steigen gelassen, da Drachen als Symbol der Reinheit gelten, was thematisch natürlich gut zur Fastenzeit passt.
Die Sache mit der Fleischlosigkeit während der Fastenzeit halten offensichtlich nicht alle gleich gut durch. So heißt es, dass ein gewiefter Zisterziensermönch aus dem Kloster Maulbronn Fleisch in seine Gemüse-Maultaschen einbaute. Da es dank des Teiges versteckt war, also unbemerkt von Gott gegessen werden konnte, etablierte sich der Spitzname „Herrgottsbscheißerle“ für dieses Gericht. Neben dem Verzicht auf Fleisch haben sich über die Zeit noch mehr Wege der körperlichen, geistigen und mentalen Reinigung eingebürgert. Viele Menschen verzichten in diesen Wochen auf das Rauchen oder den Genuss von Alkohol. Manch einer schränkt seinen Medienkonsum ein oder nimmt keinen Zucker mehr zu sich.
Alle sind gleich, für kurze Zeit
Einen frühen Vorläufer des heutigen Karnevals feierten die Einwohner Mesopotamiens schon im dritten Jahrtausend vor Christus. Kurz nach Neujahr begingen sie ein siebentägiges Fest, bei dem der wohl wichtigste Bestandteil des späteren Festes bereits eine Rolle spielte: Während dieses Zeitraums galt das Gleichheitsprinzip. Alle Menschen waren einander gleichgestellt, egal ob Sklave, Bauer oder oberster Herrscher.
Solch eine kurzfristige Aufhebung des Standessystems in Verbindung mit einem ausschweifenden Fest gab es auch im antiken Rom, nämlich zu den jährlichen Saturnalien. Aus ursprünglich nur einem einzigen Feiertag, der zu Ehren Saturns, des Gottes der Aussaat, begangen wurde, entwickelte sich mit der Zeit ein großes Gelage mit öffentlichen Speisungen, dem Austausch von Geschenken und einer Wahl des rex bibendi („König des Trinkens“). Die Rollen von Sklaven und Herren wurden vertauscht, während der Saturnalien wurde den Sklaven sogar die Gunst gewährt, von ihren Herren bedient zu werden. Die (scheinbare) Freiheit ging so weit, dass sogar Hinrichtungen wegen der Saturnalien verschoben wurden. Einen farbenprächtigen Umzug gab es ebenfalls.
Andere Länder, andere Karnevalssitten
Der bekannteste Karneval außerhalb Deutschlands ist wohl der in Rio de Janeiro. Sobald Vertreter der dortigen Stadtverwaltung einen großen, glitzernden Schlüssel an „König Momo“, die Symbolfigur des Karnevals, übergeben haben, geht die große Sause los: Ein riesiger Umzug aus Festwagen, Trommlern und den allseits bekannten Tänzern und Tänzerinnen der Sambaschulen, deren aufwendige Kostüme ein echter Hingucker sind. Veranstaltungsort ist das eigens für den Karneval gebaute Sambodromo. Hier zeigen die Sambatänzer zwei Tage lang, beinahe rund um die Uhr, was sie können. Fast 90.000 Zuschauer feiern auf den Rängen des Sambodroms mit. Am Aschermittwoch schließlich entscheiden 40 Punktrichter über die Sieger des Spektakels.
Ebenfalls auf dem amerikanischen Kontinent, doch optisch ganz anders kommt der Karneval in Québec daher. Die verschneiten Gassen der historischen Altstadt werden festlich illuminiert, es gibt Schlittenrennen, Artistik und viel Musik. Kunstvolle Skulpturen aus Eis und Schnee übertreffen sich gegenseitig an Kreativität. Abgehärtete kanadische Karnevalisten liefern sich Schneeballschlachten in Bikini und Badehose. Auch hier sorgt Alkohol für noch mehr Stimmung: Der „Caribou“ genannte Trunk aus Brandy, Wodka, Sherry und Portwein zieht sicher manch einem die sprichwörtlichen Schuhe aus.
Die US-amerikanische Version des Karnevals heißt „Mardi Gras“ (der französische Begriff für den Faschingsdienstag). New Orleans im Bundesstaat Louisiana ist dessen Hochburg und wird Jahr für Jahr von zig Touristen überschwemmt, die der ausgelassenen Party beiwohnen wollen. Paraden und wilde Kostüme gibt es auch hier, dazu viel Dixieland-Musik, die schwüle Atmosphäre der Südstaaten und Alkoholkonsum auf offener Straße, für die eher prüden Vereinigten Staaten geradezu unerhört. Ein Markenzeichen des Mardi Gras sind die „beads“, die gewissermaßen das Äquivalent zu den deutschen Kamelle sind. Es handelt sich dabei um bunte Plastikperlenketten, die nicht nur Häuser und Bäume schmücken, sondern auch von Balkonen und aus Fenstern geworfen werden und bei den Vorbeiziehenden heiß begehrt sind. Das geht so weit, dass immer wieder Damen ihre T-Shirts lüpfen, um an die kitschigen Schmuckstücke zu kommen. Deren klassische Farben, nämlich Gold, Grün und Violett, haben übrigens bestimmte Bedeutungen: Grün steht für Glauben und Vertrauen, Gold für Kraft und Violett für Gerechtigkeit.
Wer übrigens denkt, dass das allzu unmoralische Treiben an Karneval ein Phänomen der Neuzeit ist, der irrt: Schon im frühen 17. Jahrhundert wurde in Köln – ausgerechnet in Köln! – das Fest verboten, da es immer wieder gehörig ausartete. Speziell Geistliche nutzten damals die Anonymität einer Verkleidung, um allerlei verbotenen Gelüsten zu frönen. In Köln entstand im Jahr 1729 vermutlich auch die Weiberfastnacht, als die Nonnen des Klosters St. Mauritius jeden Anstand über Bord warfen und verkleidet durch die Gänge tobten.