Geschrieben von ski am 03. April 2013
Das Ende von Stein auf Stein
Vor einem Jahr gab es noch einen neuen Vorstand, eine neue Satzung und die Vereinskonten waren noch mit 15 000 Euro gefüllt. Jetzt ist das Geld weg und der Verein am Ende.



Am Dienstag fanden sich gerade einmal 16 Mitglieder im Stadthaus zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zusammen. Was dabei beschlossen wurde, war allerdings um so bedeutender: der traditionsreiche Verein Stein auf Stein ist nun Geschichte, die Auflösung beschlossene Sache.
Dass die Zusammenkunft keine Routine werden würde, war klar: nach der Veruntreuung des gesamten Vereinsvermögens durch den Geschäftsführer Jens Spahn (wir berichteten hier und hier) gibt es immer noch erheblichen Klärungsbedarf.
Der Geschäftsführer und das liebe Geld
Der erste Vorsitzende Klaus-Richard Behling erläuterte ausführlich, wie sich die Dinge zugetragen haben sollen. Nachdem Christa Kumetat das Amt der Vereinsvorsitzenden aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte, habe sie ihn, Behling, und auch die BI Bad Lauterberg, um Unterstützung gebeten. „Wohl weil sie der Auffassung war, dass wir in Sachen Altenheim Gleichgesinnte waren und ihr helfen konnten“. Dabei habe sie ihm auch Jens Spahn als Mitstreiter empfohlen. Es sei allerdings damals schon schwierig gewesen, nachzuvollziehen, was wirklich Sache sei bei Stein auf Stein, denn aufgrund der Demenzerkrankung von Christa Kumetat sei schon einiges Durcheinander entstanden.
Zunächst wurde ein neuer Vorstand gewählt (Klaus-Richard Behling als erster Vorsitzender, Brigitte Krampitz-Hänsel als zweite Vorsitzende, Frank Löbel als Kassenwart und Jens Spahn als Geschäftsführer). Bei der ordentlichen Jahreshauptversammlung im April vor einem Jahr wurde eine Satzungsänderung beschlossen; nach der Schließung des städtischen Altenheims war der Vereinszweck hinfällig geworden. So entstand der neue Name „Vereinigung Stein auf Stein – Verein für soziale Projekte und Senioren e.V.“ und der neue Zweck, der die Förderung von Kinder- und Tierschutzverein mit einschließt.
Und so waren die Aktivitäten des Vereins weitergegangen, also die Annahme und der Verkauf von Gebrauchtkleidung und die Kartenspielgruppe, die sich regelmäßig in den Vereinsräumen zum Kaffee trinken und UNO-spielen trifft.
Bei all dem war Jens Spahn dabei und hat mitgearbeitet. Als Geschäftsführer hatte er vollen Zugriff auf die Konten des Vereins - und auch auf die Barkasse. Nachdem es im letzten Sommer zu einem Einbruch ins Stadthaus gekommen war, erklärte Behling, habe er selbst Spahn sogar angewiesen, die Bargeldkasse zu sich nach Hause mitzunehmen und nicht in den Räumen des Vereins aufzubewahren. In der ganzen Zeit habe er Spahn immer für einen integren, ehrlichen Menschen gehalten, erklärte Behling: „Er hatte eine völlig weiße Weste. Uns war nie etwas aufgefallen.“
Bis dann am 28. Februar ein Anwaltsschreiben ins Haus flatterte. Spahns Anwalt teilte dem Vereinsvorsitzenden mit, dass Spahn aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung niederlege – und Untreue und Unterschlagung von Vereinsvermögen einräumt.
Schadenshöhe kann nicht genau beziffert werden
Nach der sofortigen Kontensperrung stellte der Vorstand dann fest, dass nicht nur das Geld weg ist – auch von den Unterlagen der Konten und dem Kassenbuch ist nichts mehr da. Nur einen leeren Ordner kann Behling den Anwesenden noch vorzeigen. Die Daten auf dem Vereinscomputer wurden ebenfalls gelöscht.
Das alles macht es noch schwieriger nachzuvollziehen, was genau geschehen ist. Bis jetzt konnte jedenfalls rekonstruiert werden, dass fast 10 000 Euro in bar unterschlagen wurden, Weitere knapp 4000 Euro wurden für Online-Spiele vom Vereinskonto abgebucht. Angefangen hat dies im August des vergangenen Jahres, und dann ging es rasant: innerhalb eines guten halben Jahres wurde das gesamte Vermögen des Vereins durchgebracht. Die genaue Schadenshöhe kann nicht beziffert werden, denn es kommt noch dazu, dass Bareinnahmen und Barspenden in noch unbekannter Höhe veruntreut wurden – Gelder, die bei den Verkäufen eingenommen oder als Spenden abgegeben wurden. Seit August hat Spahn die Einnahmen aus den Donnerstagsverkäufen gar nicht erst auf die Vereinskonten eingezahlt, und die Kassenbücher fehlen.
Niemandem war dies aufgefallen – auch dem Kassenwart Frank Löbel nicht. Ein Vier-Augen-Prinzip bei der Kasse gab es nicht, Spahn hatte volle Verfügungsgewalt über die Konten, und erst durch die nun eigentlich anstehende Kassenprüfung drohte die Sache aufzufliegen. Man hätte zumindest einen Maximalbetrag festsetzen müssen, über den der Geschäftsführer allein verfügen konnte, meinte ein Mitglied, ein anderes Vereinsmitglied stellte die Frage, was denn dann überhaupt die Aufgabe des Kassenwarts gewesen sei.
Trotz alledem wurde der Restvorstand einstimmig entlastet – nachdem ebenso einstimmig der Geschäftsführer aus dem Verein ausgeschlossen worden war.
Verein vor der Zahlungsunfähigkeit
Nun ist Stein auf Stein ruiniert. Behling rechnete den Vereinsmitgliedern die aktuelle Situation penibel vor: im Moment besitze der Verein Bargeld in Höhe von 266 Euro, auf dem Sparkonto befinde sich noch 254 Euro, auf dem Girokonto noch 101 Euro. Dazu habe man noch der Tierschutzvereins seinen Anteil an den Pfandgeldspenden des Pfandautomaten beim REWE-Markt an Stein auf Stein abgetreten, in Höhe von 77 Euro. Allein die Betriebskostenvorauszahlung für die Räumlichkeiten im Stadthaus beträgt allerdings 350 Euro pro Monat, dazu kommt die Versicherung für ehrenamtliche Mitarbeiter in Höhe von 78 Euro monatlich.
Mal 25, mal 150 Euro pro wöchentlichem Öffnungstag erzielt der Verein durch den Kleiderverkauf, schätzt der Vorsitzende, man habe auch schon mal lediglich 2 Euro an einem Öffnungstag erzielt. Auf alle Fälle sind die Erlöse nicht ausreichend, um auch nur die laufenden Kosten zu decken – von der Erreichung des Vereinsziels, der finanziellen Unterstützung der anderen Vereine, ganz zu schweigen.
Ehrenamtliche fehlen
Auch Ehrenamtliche stehen nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, um die Arbeit weiterzuführen, zumal seit Januar auch keine Ein-Euro-Kräfte mehr mit dem Kleidersortieren, Aufbereiten und Verkaufen beschäftigt sind. Nur noch vier Aktive – da kann nicht einmal der Donnerstagnachmittag zuverlässig abgedeckt werden. „Wer also soll die Arbeit machen?“ fragt Behling.
Vereinsauflösung beschlossen
Und so standen die wenigen anwesenden Mitglieder vor der Frage nach der Auflösung des Vereins. Kurzerhand wurde über diesen Antrag abgestimmt – laut Satzung sei dies möglich, versicherte der Vorsitzende – und einstimmig das Ende beschlossen. In den kommenden Monaten sollen nun die Bestände an Kleidern und Gebrauchtwaren so weit wie möglich abverkauft werden, und schlussendlich dann auch noch die Elektrogeräte, die dem Verein gehören. Von dem Erlös, hofft Behling, werde man dann die Betriebskosten an die Stadt bezahlen können, die einstweilen einer Stundung der Beträge für sechs Monate zugestimmt hat. Spätestens dann wird Stein auf Stein also abgewickelt und der Verein nur noch Geschichte sein.