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Geschrieben von Boris Janssen am 24. Oktober 2014
Hintergrund

Grundschulen: Eine Frage des Standorts

Bad Lauterberg soll künftig nur noch eine Grundschule haben. Aber wo? – Hintergründe, Fakten, Argumente

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Nun macht’s der Rat der Stadt also doch alleine. Statt einer Bürgerbefragung gibt es im November eine Sondersitzung, auf der die Ratsmitglieder endlich entscheiden wollen, wo Bad Lauterbergs künftig einzige Grundschule stehen soll.

Aber auch wenn Sie nicht offiziell befragt werden, sollten Sie den von Ihnen gewählten Vertretern Ihre Meinung nicht verheimlichen – die könnte denen nämlich bei der schwierigen Entscheidung helfen. Damit Sie sich überhaupt eine Meinung bilden können, hat LauterNEUES hier Hintergründe, Fakten und Argumente gesammelt.

 

Die Liste ist sicher nicht abschließend. Nutzen Sie die Gelegenheit zur Ergänzung und diskutieren Sie mit!

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Was für Kosten kommen auf die Stadt zu?

Das Göttinger Büro BMP-Architekten hat nun im Auftrag der Stadt eine Machbarkeitsstudie erstellt. Damit sollten die vier infrage kommenden Standorte (die Grundschulen „Am Hausberg“, Barbis und Bartolfelde sowie die Lutterbergschule) sozusagen virtuell auf ein und denselben Stand gebracht werden, um die zu erwartenden Umbaukosten wirklich fair vergleichen zu können. Dieser Stand ist eine dreizügige, inklusive Ganztagsschule mit dem absolut minimalen Raumangebot ohne großen Schnick-Schnack. Das Büro hat sich daran gehalten: In der Studie sind nun alle Standorte barrierefrei und haben zwölf Klassenräume, ein paar Gruppen- und Ruheräume, eine Turnhalle und eine Mensa. Auch eventuell nötige Sanierungen oder zu behebende Brandschutzmängel wurden berücksichtigt.

Die Architekten empfehlen die Grundschule am Hausberg als kostengünstigste Lösung. Sie habe für den Raumbedarf die optimale Größe, weshalb keine kostspieligen Erweiterungen erforderlich seien. Die Mensa könne in der Aula untergebracht werden. Teuer würde vor allem der Anbau eines Fahrstuhls (155.000 Euro).

Die Lutterbergschule sei dagegen viel zu groß. Deshalb haben sich die Architekten gleich drei Varianten ausgedacht: Varianten A und B nutzen nur den Neubau, der Altbau wäre anderweitig nutzbar. Bei Variante A würde der Neubau so gering wie möglich umgebaut, bei Variante B würden die Wände nahezu komplett herausgenommen, um die Räume möglichst sinnvoll neu zu strukturieren (bei natürlich mit den anderen Standorten vergleichbaren Raumangebot). Variante C umfasst das ganze Gebäude, also auch den Altbau. Dabei fiele der geringste Umbaubedarf an – allerdings würden im laufenden Betrieb auch die deutlich höchsten Unterhaltskosten anfallen. Auf jeden Fall sei in der Lutterbergschule im Brandschutz viel zu tun, es fehle zum Beispiel ein zweiter Fluchtweg.

Die Grundschule Barbis sei derzeit zu klein, aber „nahezu optimal für einen inklusiven Schulbetrieb geeignet“, sie ist nämlich ebenerdig. Hier müssten weitere Klassen- und Gruppenräume angebaut werden. Das gilt auch für eine Mensa, die sich nicht sinnvoll im Bestand unterbringen lasse.

Die Grundschule Bartolfelde sei sogar viel zu klein und habe überdies wie die Lutterbergschule das Problem, dass ein zweiter Fluchtweg fehlt. Diese Schule als ernsthafte Alternative in Betracht zu ziehen, bezeichnen die Architekten als „illusorisch“.

 

Die Hitliste der geschätzten Kosten:

1. Grundschule am Hausberg: 842.000 Euro
2. Lutterbergschule Variante C: 927.000 Euro
3. Grundschule Barbis: 1.373.000 Euro
4. Lutterbergschule Variante A: 1.466.000 Euro
5. Lutterbergschule Variante B: 1.953.000 Euro
6. Grundschule Bartolfelde: 3.388.000 Euro

 

Welche Standorte sind bezahlbar?

Niemand findet diesen Umstand schön – aber die Wahl des künftig einzigen Standortes wird durch das finanziell Machbare stark eingeschränkt. Egal wofür sich die Stadt entscheidet, unterm Strich muss die Ersparnis von 150.000 Euro im Jahr herauskommen. Punkt.

Laut Kämmerer Steffen Ahrenhold lasse sich das Ziel mit der Variante Barbis noch gerade so eben erreichen. Das heißt aber auch, die drei teureren Varianten kann man gleich knicken.

Der Kostenvorteil der Lutterbergschule in Variante C gegenüber der Grundschule Barbis würde dabei, wie die Architekten zu Bedenken gaben, allerdings von den zu erwartenden hohen Unterhaltskosten wieder geschmälert. Oder anders herum der Kostenvorteil der Grundschule am Hausberg noch vergrößert.

Bei der Lutterbergschule gebe es außerdem weitere Unwägbarkeiten, was den Brandschutz angeht, so die Architekten. Die im Neubau eingezogenen Wände könnten unter Umständen neueren Vorgaben nicht mehr genügen und deshalb von der Bauaufsicht beanstandet werden – und in Brandschutzfragen gebe es bei öffentlichen Gebäuden keinen Bestandschutz, erst recht nicht bei Schulen.

Auch bemerkenswert: Für die 531.000 Euro, um die die Grundschule Barbis gegenüber der Grundschule am Hausberg teurer würde, ist fast ausschließlich der Anbau einer Mensa verantwortlich (493.000 Euro). Wohlgemerkt nur das Gebäude – Technik und Einrichtung würden mit weiteren 185.000 Euro bei allen Standorten gleichermaßen anfallen. Eine halbe Million für einen nackten Speisesaal, da stutzte auch der Vorsitzende des Bauausschusses Peter Münch (CDU): „Wird die etwa von Karl Lagerfeld gebaut?“ Eine solche Kostenschätzung beinhalte aber immerhin schon Dinge wie Beleuchtung, Bodenbeläge oder Fliesen, erklärten die Architekten den horrend erscheinenden Preis.

 

Pädagogische Sichtweise

Neben den Architekten hat der Stadtrat weitere Berater engagiert: die Arbeitsgruppe aus den Schulvorständen der drei Bad Lauterberger Grundschulen. Die hat sich natürlich auch mit der Machbarkeitsstudie auseinandergesetzt, kommt aber nahezu einstimmig zu einer anderen Empfehlung, nämlich der Grundschule Barbis. Das Votum wird mit pädagogischen Erwägungen begründet.

Als Vertreterinnen des Gremiums sprachen Anke Tilhein-Engelke (seit diesem Schuljahr Leiterin der Grundschule am Hausberg, davor Leiterin der Grundschule Barbis) und Lehrerin Nicole Möhring vor dem Bau- und dem Sozialausschuss. „Für die Kinder“ sei ein großes Raumangebot wünschenswert, die Klassenräume müssten unkompliziert Gruppenarbeit erlauben, die Gruppen- oder Ruheräume müssten direkt neben den Klassenräumen liegen und von diesen aus einsehbar sein (Aufsichtspflicht). Ein direkter Zugang nach draußen ins „grüne Klassenzimmer“ sei ebenso wünschenswert wie attraktive Bewegungs- und Spielmöglichkeiten oder Fachräume wie Musik-, Textil- und Werkraum.

Nun sind derlei Erwägungen in der Machbarkeitsstudie aber überhaupt nicht behandelt worden – hier wurde an allen Standorten das absolute Minimalprogramm untersucht. Wollte man diese pädagogischen Überlegungen berücksichtigen, müssten also für alle Varianten neue Berechnungen erstellt werden. Folgt man der Aussage des Kämmerers, bei den vorliegenden Kostenschätzungen reiche es noch knapp für Barbis, wären an der Grundschule am Hausberg und an der Lutterbergschule zumindest theoretisch noch kleine finanzielle Spielräume, in Barbis würde die Luft aber dank „Lagerfeld-Mensa“ äußerst knapp.

Die Gleichstellungsbeauftragte Inge Holzigel verwies bei der Ausschuss-Sitzung darauf, dass die als zu groß bezeichnete Lutterbergschule ja für gewünschte zusätzliche Räume reichlich Platz böte.

Grundsätzlich scheint die Arbeitsgruppe aber davon auszugehen, dass das ebenerdige Gebäude in Barbis am ehesten mit den pädagogischen Vorstellungen vereinbar ist.

 

Wird die Arbeitsgruppe nicht von den Ortsteilen dominiert?

Ganz klar: Ja. Sie besteht aus den Schulvorständen der drei Grundschulen, und davon sind nun einmal zwei aus den Ortsteilen.

ABER:
Erstens sollte man zumindest bei den beteiligten Pädagogen davon ausgehen, dass sie sich bei ihrem Votum eher von fachlichen denn von emotionalen Aspekten haben leiten lassen. Und zweitens fiel das Votum nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Teilnehmer, darunter Ratsherr Axel Peter (SPD) und Bürgermeister Dr. Thomas Gans, absolut eindeutig aus. Axel Peter sagte es auf der gemeinsamen Sitzung des Bau- und des Sozialausschusses so: „Auf der Sitzung der Arbeitsgruppe waren über 20 Personen, davon haben sich nur ,anderthalb‘ nicht für Barbis ausgesprochen.“ Das bedeutet dann natürlich, dass auch fast alle Vertreter aus der Kernstadt für Barbis gestimmt haben. Aus Bartolfelde sei an diesem Abend die Einschränkung gekommen, man gebe den Widerstand gegen die Schließung der eigenen Schule nur auf, wenn die Entscheidung zugunsten von Barbis fallen sollte.

 

Kurze Wege

Die Osterhagener kennen es seit Jahrzehnten nicht anders, für allen anderen ist es der schiere Graus: die Grundschule nicht mehr am eigenen Ort. Schnell kommt der Spruch: „Kurze Beine – kurze Wege“. Aber ist das wirklich ein so schlagendes Argument für einen Standort? Würden zu der einen Schule so viel mehr Schüler zu Fuß gehen, als zu einer anderen – oder würden nicht doch sowieso die meisten Kinder von ihren Eltern gefahren werden? Sowohl in der Kernstadt als auch in Barbis herrscht zu Unterrichtsbeginn und -schluss Rush Hour auf den Parkplätzen.

Die Verteilung der Kinder nach Orten
Von den zu erwartenden Erstklässlern kommen jeweils über 60 Prozent aus der Kernstadt, knapp ein Viertel aus Barbis und der Rest verteilt sich in etwa ausgewogen auf Bartolfelde und Osterhagen. Allerdings sind Barbis und die Kernstadt beide so ausgedehnt, dass mit Sicherheit auch hier nicht alle Kinder zu Fuß zur Schule gehen würden. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Anteil in der Kernstadt am größten wäre – wie groß, ist allerdings schwer zu schätzen.

Die Entfernungen
Aber mal angenommen, das sei irrelevant, weil ja nun einmal egal zu welchem Standort die meisten ohnehin fahren würden. Wie verhält sich das mit den Entfernungen?

Hier ein Vergleich der Entfernungen in Kilometer von verschiedenen Stadtteilen zur Grundschule am Hausberg (die Lutterbergschule liegt da ja quasi gleich daneben) und zur Grundschule Barbis, errechnet mit dem ADAC-Routenplaner (schnellste Route).

Von nach

Hausberg

Barbis

Osterhagen (Dorfmitte, Köhlers Gasse)

4,7

6,3

Bartolfelde (Dorfmitte, Auf der Insel)

4,6

4,7

Barbis (Kirche)

5,4

1,3

Barbis (Ecke Amselweg, Pieperbreite)

3,6

0,6

Bad Lauterberg - Aue (Pauluskirche, Stollenweg)

1,8

3,0

Bad Lauterberg - Paradies (Ecke Auf dem schiefen Berge)

1,0

5,0

Bad Lauterberg - Odertal (Deta-Straße, halbe Höhe)

3,6

7,6

Welches Ziel für ihn am bequemsten anzufahren ist, muss dabei jeder für sich selbst beurteilen. Apropos elterlicher Fahrdienst: Die Verkehrssituation an der Grundschule am Hausberg beurteilen die Architekten in der Machbarkeitsstudie als „wenig zufriedenstellend“, da es in den „sehr engen“ Straßen zu „Konflikten“ zwischen Autos und Radfahrern oder Fußgängern kommen könne.

Für die Routenführung eventuell eingesetzter Busse ist der Schulstandort egal. Die Hauptstraßen müssten sowieso allesamt angefahren werden – entweder um Schüler einzusammeln oder um sie abzusetzen. Und da gemäß Niedersächsischem Schulgesetz die Landkreise für die Schülerbeförderung zuständig sind, spielt auch die Kostenfrage für die Stadt keine Rolle.

  

Lage

Überhaupt, die Lage:

Die Grundschule am Hausberg liegt mitten im Zentrum und trotzdem ruhig. Die Lutterbergschule steht direkt an der B 27 – auf dem Schulhof und bei offenen Fenstern störe nach Erfahrungen von Lehrern der Straßenlärm. In der Kernstadt sind viele schultypische Ausflugsziele zu Fuß zu erreichen: Heimatmuseum, Rathaus, Scholmzeche, was man halt in der Grundschule so alles besichtigt. Eltern zufolge eigne sich die Lage mit Zebrastreifen, Ampeln unterschiedlichsten Straßen und Radwegen auch prima zur Verkehrserziehung.

In Barbis liegt die Schule eher am Rand. Auf der B 243 alt ist es ruhig geworden, hinter dem Grundstück fährt zwei Mal pro Stunde der Zug vorbei. Nahe Ausflugsziele gibt es hier weniger, dafür können die Schüler im Sommer auch mal auf einen Sportplatz gehen (Oderfeld).

 

Schulhöfe

Klarer Punktsieg für Barbis. Die Asphaltwüsten in der Kernstadt sind zwar groß genug, aber eben auch wenig attraktiv. Die Architekten drücken es in der Machbarkeitsstudie vorsichtig aus: „Es erscheint sinnvoll, die Außenanlagen durch den Rückbau von versiegelten Flächen mit weiteren Grünflächen zu bereichern und somit freundlicher zu gestalten.“ In Barbis gebe es dagegen das „größte und differenzierteste Angebot“, wobei der begrünte Innenhof im Schulgebäude „einen besonderen Ort“ darstelle.

 

Umbauphase

Geht es nach Bürgermeister Dr. Thomas Gans, hätte Bad Lauterberg schon mit dem nächsten Schuljahr nur noch eine Grundschule. Auch Kämmerer Steffen Ahrenhold betonte, es müsse schnell gehen. Gelinge die Zusammenlegung erst mit dem Schuljahr 2016/2017, verlöre man ein halbes Jahr Kostenersparnis, das Sparziel für 2016 wäre gefährdet.

Aber natürlich ist es einigermaßen unrealistisch, dass die neue Grundschule schon zum nächsten Schuljahr an den Start geht. Selbst wenn die Standort-Entscheidung noch wie geplant im November fällt, müssen erst einmal Pläne erstellt werden (wozu dann auch mal die Frage geklärt werden müsste, wie denn nun das Konzept der Schule aussehen soll), Bauanträge müssen gestellt und Aufträge ausgeschrieben werden. Ganz zu schweigen von der benötigten Bauzeit.

Am schnellsten ginge der Umbau in der Lutterbergschule. Der große Vorteil: Das Gebäude steht leer, die Bauarbeiter können einfach loslegen. Die Architekten veranschlagen in der Machbarkeitsstudie etwa vier Monate Bauzeit.

Für die Umbauarbeiten an der Grundschule am Hausberg seien etwa vier bis fünf Monate erforderlich, von denen der Großteil aber in Ferien verlegt werden müsste, weil die Arbeiten zu laut, zu staubig oder im laufenden Schulbetrieb zu gefährlich wären. Bei drei Monaten Ferien ginge da etwa ein Jahr ins Land.

Die umfangreichen Anbauarbeiten in Barbis würden laut Architekten zwischen sieben und neun Monate dauern, könnten aber im laufenden Betrieb erfolgen, „soweit Lärmbelästigungen […] und Einschränkungen in den Pausenflächen hingenommen werden.“

 

Turnhallen

Doch, natürlich, auch die Grundschule am Hausberg hätte eine Turnhalle. Die bisher mitgenutzten Hallen der Lutterbergschule gehören ja nun der Stadt, sie würden dann künftig eben der Grundschule am Hausberg zugeordnet. Die anfallenden Sanierungskosten haben die Architekten sowohl bei der Grundschule am Hausberg als auch bei der Lutterbergschule berücksichtigt – der Kostenvergleich bleibt fair.

Allerdings bliebe für die Grundschule am Hausberg das altbekannte Manko, dass die Schulklassen erst einmal einen kleinen Spaziergang zum Sportunterricht unternehmen müssen. Von der Lutterbergschule müsste lediglich noch die Bundesstraße 27 überquert werden, in Barbis ist die Halle gleich angebaut.

Viel interessanter ist an dieser Stelle aber eine andere Frage: Was passiert mit den Turnhallen der Schulen, die geschlossen werden?

 

Hier geht’s weiter:

Warum die Diskussion?
Was hängt noch da dran?


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