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Geschrieben von Christian Dolle (Kirchenkreis Harzer Land) am 13. Januar 2017
Kirchen

Bloß nicht zu tief bohren

Serie Willkommenskultur des Kirchenkreises Harzer Land: Tipps zum Umgang mit Traumata und Trauer bei Flüchtlingen

Flüchtlingen in Deutschland fehlen Orte zum Trauern.
Flüchtlingen in Deutschland fehlen Orte zum Trauern.
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Gestalteten den Austausch (von links): Ute Augat, Roswitha Becker-Ubbelohde und Brigitte Maniatis.
Gestalteten den Austausch (von links): Ute Augat, Roswitha Becker-Ubbelohde und Brigitte Maniatis.

Es kann das Feuerwerk zu Silvester sein, das bei manchem hier lebenden Flüchtling plötzlich schreckliche Erinnerungen weckt. Vielleicht deckt aber auch der für uns leckere Geruch von gegrilltem Fleisch bei jemandem ein Trauma auf. Und es gibt Ehrenamtliche, die Flüchtlinge ins Kino eingeladen haben und dann hilflos waren, als diese in der dortigen Dunkelheit Panik bekamen. Jeder der bei uns lebenden Flüchtlinge hat in seiner Heimat Dinge erlebt, die er nicht abschütteln kann, viele sind traumatisiert und wenn die Erlebnisse plötzlich wieder zutage treten, wissen die Betroffenen selbst, aber auch ehrenamtliche Paten meist nicht, was zu tun ist.

Mit diesem Themenkomplex beschäftigte sich die Pastorin i.R. und gelernte Sozialpädagogin Roswitha Becker-Ubbelohde und möchte Menschen, die haupt- oder ehrenamtlich mit Flüchtlingen zu tun haben, für die Problematik sensibilisieren. Am Mittwoch (11.01.2017) referierte sie vor den ehrenamtlichen Flüchtlingspaten in Osterode.

Die Gruppe Willkommen in Osterode trifft sich regelmäßig, um sich auszutauschen, gegenseitig Tipps zu geben und auf dem Laufenden zu bleiben, was die Unterstützung für Flüchtlinge angeht. Dabei werden mit den Ehepaaren Augat und Maniatis, den Koordinatoren der Gruppe, und manchmal mit Vertretern der Stadt, des Landkreises oder auch des Kirchenkreises auf den Nägeln brennende Fragen erörtert. Diesmal sollte es um Traumata und Trauer gehen, da es hier immer wieder zu Situationen kommt, in denen Ehrenamtliche schlicht überfordert sind.

 

Auch Verdrängung kann durchaus helfen

„Es betrifft uns alle“, machte Becker-Ubbelohde gleich zu Beginn deutlich. „Wir alle tragen etwas mit uns herum, manches wiegt schwerer, anderes weniger.“ Nicht selten sei es sogar der richtige Weg, Gras über die Erinnerungen wachsen zu lassen, Verdrängung kann also durchaus helfen. Daher sollten Paten bei ihren Flüchtlingen auf keinen Fall zu tief bohren und bei aller Neugier über die Herkunft und Vergangenheit der neuen Mitbürger immer nur so viel erfragen, wie diese bereit sind, zu erzählen.

„Darüber zu sprechen ist schwierig, nicht nur wegen der Sprachbarriere“, machte die Seelsorgerin deutlich, „wenn Ihnen jemand etwas erzählt, ist das schon ein enormer Vertrauensbeweis.“ Daher sollte niemand gedrängt werden, weitere Erinnerungen aufzufrischen, manche Details einer Fluchtgeschichte müssen wohl in Vergessenheit geraten.

 

Sicherheit hilft, Traumata aufzulösen

Falls das Verdrängen allerdings nicht hilft und ein Trauma sich durch Alpträume, durch Depression, durch Aggressivität oder andere Symptome äußert, sollten die Paten ebenfalls nicht selbst versuchen, sich den Problems anzunehmen, sondern in jedem Fall einen Fachmann kontaktieren. Zum einen sei der „Kulturschock“ hier in Deutschland ohnehin schon so groß, dass nicht jedes der genannten Symptome auf die Traumatisierung hindeutet, zum anderen ist das Thema nun einmal zu groß, um einfach so aus der Welt geschafft zu werden.

Ein Weg, den die Traumaforschung eingeschlagen hat und bei dem durchaus auch Menschen aus dem Umfeld ihren Beitrag leisten können, ist der der Stärkung der Resilienz, also der psychischen Widerstandsfähigkeit. Hier geht die Forschung davon aus, dass sich Traumata besser auflösen, je mehr Sicherheit ein Mensch in anderen Bereichen hat, also je besser er in die Gesellschaft eingebunden ist, da das sozusagen die Selbstheilungskräfte aktiviere.

Als weiteren wichtigen Punkt sprach Becker-Ubbelohde die Trauer an, die viele Flüchtlinge hier deutlich belastet. Dabei sei zu bedenken, dass sie alle im Gegensatz zu uns keinen Ort haben, um an den oder die Verstorbenen zu denken, oft wissen sie nicht einmal, wo ihre Angehörigen beerdigt sind und können dort definitiv nicht hin. Eine Idee könnte sein, Orte zum Trauern zu schaffen, vielleicht irgendwann sogar auf kommunaler Ebene.

 

Verunsichert, was den neuen Landkreis betrifft

Ein letzter Punkt wurde dann nach dem Vortrag angesprochen, nämlich die Verunsicherung der Ehrenamtlichen, was den neuen Landkreis Göttingen betrifft. Viele berichteten, sie haben sich mit spezifischen Fragestellungen an die zuständigen Ämter wenden wollen, doch niemanden ausfindig machen können, der für ihre Belange beziehungsweise die der Flüchtlinge wirklich zuständig ist. Leider konnten hier auch Ute Augat und Brigitte Maniatis nicht weiterhelfen, da auch sie die zuständigen Amtspersonen bisher nicht kennengelernt haben. Allerdings, so vertrösteten sie, wollen die sich in absehbarer Zeit der Gruppe vorstellen.

Ob das jedoch ausreicht, um so eng vernetzt weiterzuarbeiten wie bisher, bezweifelten einige Mitglieder der Gruppe. Sie hatten bis jetzt die Erfahrung gemacht, dass all jene Antworten, die sie aus Göttingen erhalten haben, im Altkreis Osterode schon lange bekannt waren und die unbürokratische und effektive Flüchtlingshilfe hier deutlich weiter sei als in der neuen Kreisstadt.

 

Ein Artikel aus der Serie „Willkommenskultur“ des Kirchenkreises Harzer Land über Flüchtlingshilfe und Willkommenskultur in der Region. Weitere Artikel folgen in lockeren Zeitabständen.


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