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Geschrieben von Boris Janssen am 21. April 2016
Kultur und mehr

Die andere Harzreise

Vergessen im Harz II: Premiere am 20. Mai 2016 – Im Endspurt des Crowdfundings geht es auch darum, ob es Teil Drei geben wird

Fotos, die es in keinem Reiseführer gibt: Szenenbilder aus „Vergessen im Harz II“.
Fotos, die es in keinem Reiseführer gibt: Szenenbilder aus „Vergessen im Harz II“.
Szenenbild „Vergessen im Harz II“.
Szenenbild „Vergessen im Harz II“.
Szenenbild „Vergessen im Harz II“.
Szenenbild „Vergessen im Harz II“.
Das Filmplakat.
Das Filmplakat.
Regisseur Enno Seifried. (Foto: Anne Schädel)
Regisseur Enno Seifried. (Foto: Anne Schädel)

Schon den Spaziergängern draußen dringt der süßlich-feuchte Modergeruch in die Nase. Durch die angelaufenen Fenster können sie sehen, wie die Verkleidungen von den Decken kommen. Wände voller Risse, Fensterrahmen, die auseinander fallen, vor sich hin faulende Balken an Dach und Balkon – wer ernsthaft davon träumt, die Hotels am Wiesenbeker Teich oder am Barbiser Zoll wiederzubeleben, braucht mehr als ein paar Rollen Raufasertapete und ein Päckchen Fliesen. Ein Jammer, sagen die Bad Lauterberger, eine Schande, einfach nur traurig. Und was war hier früher alles los. Was wurde hier gefeiert, wer war alles zu Gast.

Gerade diese Geschichten sind es, die viele Menschen an sogenannten Lost Places fasziniert, seien es nun wirkliche Erinnerungen oder nur Vorstellungen davon, wie das Leben hier einmal gewesen sein könnte. Und dann diese ganz spezielle Atmosphäre, die solche dem Verfall preisgegebene Gebäude verströmen, die man mit Worten nicht so recht beschreiben kann. Ein Stück weit lässt sich diese Faszination auch auf der Königshütte nachvollziehen, wo sie sicher zum großen Interesse an Führungen und Veranstaltungen auf dem Gelände beiträgt, auch wenn das Industriedenkmal gar nicht so richtig verlassen ist.

 

Streifzug auf der großen Leinwand

Einer, der diese Stimmung perfekt einfangen kann, ist Dokumentarfilmer Enno Seifried. Melancholie und Wehmut, aber auch Zuversicht und manchmal der Traum, dass es mit einem Gebäude doch noch irgendwie weitergeht, vor allem jedoch die Neugier auf die Welt innerhalb der verfallenden Mauern und auf die Geschichten der Menschen, die einst in ihnen arbeiteten oder lebten – sie zeichnen die Filme des 37-jährigen Leipzigers aus. „Geschichten hinter vergessenen Mauern“ heißt denn auch sein ehrgeizigstes Projekt, die Doku-Reihe über Lost Places. Am 20. Mai 2016 feiert der fünfte Film der Reihe Premiere: „Vergessen im Harz II“.

Seifried begibt sich zum zweiten Mal im Harz auf Spurensuche, einem „der schönsten und interessantesten Landschaftsgebiete der Bundesrepublik“, wie er sagt. Doch trotz seiner abwechslungsreichen Vielfalt habe das Mittelgebirge in Bezug auf seine touristische Entwicklung und wegen der andauernden Abwanderung mit großen Problemen zu kämpfen. Und tatsächlich stehen ja überall viele Gebäude leer. Aber was passierte mit den Sanatorien, Hotels, ehemaligen FDGB-Heimen, Gutshäusern, Militäreinrichtungen und Fachbetrieben der Region, die heute verlassen und in Vergessenheit geraten sind? „Vergessen im Harz II“ sucht nach Antworten und will in knapp 98 Minuten Geschichten und Erinnerungen von Zeitzeugen und langjährigen Anwohnern sowie fundierte Aussagen und Recherchen von Historikern bieten.

Die Premiere sowie drei weitere Vorführungen finden vom 20. bis 22. Mai 2016 im großen Saal des ehemaligen Hotels Zehnpfund in Thale statt, das selbst seit Jahren leer steht. Für eine der Vorstellungen gibt es noch Karten. Gleich nach der Premiere erscheint die DVD. Allerdings wird der Film auch in mehreren Kinos gezeigt, unter anderem ab dem 26. Mai in den Central-Lichtspielen Herzberg. Und allein schon Enno Seifrieds Blick für faszinierende Bilder, die einen förmlich in den Streifzug hineinziehen, macht es mehr als lohnenswert, einmal eine Dokumentation auf der ganz großen Leinwand zu erleben.

 

Getragen von Herzblut und Crowdfunding

Hinter den „Geschichten hinter vergessenen Mauern“ steht natürlich eine ganze Filmcrew, die vor allem von der Leidenschaft getragen wird – und der Fangemeinde, die sie per Crowdfunding unterstützt. „Alles was wir erreicht haben, haben wir Euch [den Unterstützern] und einem Filmteam aus Freunden voller Enthusiasmus zu verdanken, die mit Herzblut und Hingabe ohne angemessene Bezahlung an diesem Projekt arbeiten“, schreibt Seifried im Crowdfunding-Blog. Wie schon bei den vier Vorgängern – der Leipzig-Trilogie und dem ersten Harzer Teil – habe das Team auch für „Vergessen im Harz II“ von der Konzeption über die Dreharbeiten bis zur Postproduktion keine Gage erhalten, alle nötigen finanziellen Mittel selbst getragen und aus vorangegangenen Projekten finanziert, betont der Regisseur. „Der Film wurde ohne jegliche Fördergelder und Sponsoren realisiert.“

Damit er nun im Kino und auf DVD einem breiten Publikum präsentiert werden kann, musste die Crew erst einmal wieder Geld einsammeln. Schließlich kostet es auch ein Bisschen, DVDs und Kinokopien herzustellen, Kinoplakate und andere Werbematerialien drucken zu lassen, mit denen Kinobetreiber, Festivalveranstalter und neues Publikum überzeugt werden sollen. Um die nötigen 12.000 Euro zusammen zu bekommen, hat das Team eine neue Crowdfunding-Aktion gestartet. Und tatsächlich dauerte es keine 24 Stunden, da war diese Mindestmarke schon geknackt.

 

Noch 4000 Euro bis Teil Drei

Gleichzeitig aber wurden die Filmemacher mit Anfragen bestürmt, ob nicht auch der Harz eine Trilogie bekommen soll. Nee, eigentlich ja nicht, nach Nummer Zwei soll Schluss sein, lautete der Plan. Als dann aber ruckzuck 24.000 Euro, also 200 Prozent, zusammen waren, wurde das Team noch einmal nachdenklich und machte der Crowd ein Angebot: Wenn am Ende der Aktion am Montag, 25. April 2016, Punkt 23 Uhr mindestens 333 Prozent (39.960 Euro) auf dem Tacho stehen, dann gibt es nächstes Jahr noch 3 x 33 Minuten Nachschlag – also ein 99-minütiges „Vergessen im Harz III“.

Diese Vision bezeichnete Seifried am 1. April noch als „vielleicht ein wenig utopisch“, aber es könnte durchaus sein, dass er sich tatsächlich mit dem Harz als zweiter Heimat anfreunden muss: Vier Tage vor Schluss fehlten nur wenig mehr als die letzten 33 Prozent oder ganz genau gesagt 4.272,45 Euro. Das gäbe natürlich moralischen Druck, doch aus kreativer Sicht braucht es dem Filmteam nicht bange zu werden. Enno Seifried weiß ja: „An weiteren verlassenen Orten und spannenden Geschichten mangelt es dem Harz auf jeden Fall nicht.“

 

Weitere Informationen zum Projekt auf www.VergessenImHarz.de (externer Link) und auf der Crowdfunding-Plattform VisionBakery (externer Link).


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